18. Dezember 2021 Von Caradayn

Caradayn empfiehlt: Come to Kaer Morhen

Come to Kaer Morhem, rest your weary bones. This place is full of stories told to ancient stones.

Zwischen Ende der 1980er und Anfang der 1990er blicken wir nach Polen. Polen ist jetzt nicht gerade das Land, das den meisten von uns in den Sinn kommen dürfte, wenn es um Fantasy geht. Und doch: Andrzej Sapkowski schreibt eine wundervolle Melange aus slawischen Märchen mit der ihnen anhaftenden Düsternis und tiefgängigen Emotionalität sowie aus klassischer Fantasy. Auch wenn bis heute selbst Menschen, die sich für eingefleischte Fantasy-Nerds halten, den Namen Sapkowski nicht kennen – den Namen der Hauptfigur seiner ursprünglich als Pentalogie angelegten Welt kennen wir alle. Denn das ist Geralt von Riva. Andrzej Sapkowski hat den „Witcher“ geschaffen.

Der Witcher wurde geschrieben, verfilmt, verspielt und vertont. Kaum ein Witcher-Fan, der nicht „Toss a coin to your Witcher“ rauf und runter gehört hat, kaum ein rollenspielversessener Musicus, der nicht in Rittersporns Fußstapfen trat und den Song interpretierte – oder „coverte“.

Gestern Abend haben Rittersporns Jüngerinnen und Jünger erneut mit einem guten Ale ihre Stimme geölt und zu den Instrumenten gegriffen. Aus der Feder des Komponisten Martin Schroer und unter Beteiligung vieler engagierter Mitglieder kleinerer Rollenspiel-Communities entstand eine klangmächtige und gefühlvolle Einladung an alle Witcher und ihre Freunde da draußen, einander in Kaer Morhen zu treffen und im Kreise Gleichgesinnter ein wenig Abstand von den Fährnissen der restlichen Welt zu finden.

Schroers „Come to Kaer Morhem“ folgt dem bewährten Witcher-Sound, der ganz klar von klassischem Fantasy-Folk lebt, aber auch genau wie die Großen der Szene – Faun zum Beispiel – mit moderneren Klangelementen spielt. Das fällt spätestens dann mir als geneigtem, aber alles andere als anspruchslosem Hörer extrem positiv auf, wenn die Instrumentierung von einer guten Mittelalter-Band stammen könnte, dann aber ein offenhöriger (offensichtlich ist doch ein zu unpassendes Wort für eine Klangbeschreibung) Musicalsänger die Leitstimme dazu singt. Überhaupt hat insbesondere die Introphase des Songs für mich viel von klassisch komponierten Musicals wie etwa dem „Tanz der Vampire“, und – weil ohnehin ideenmäßig verwandt – mit Symphonic Metal. Der heißt ja auch nicht umsonst manchmal Opera Metal. Damit stehen die Macherinnen und Macher in einer Reihe mit musikalischen Größen wie Nightwish. Und müssen sich überhaupt nicht verstecken.

Habe ich neben so vielen Worten vielleicht auch Kritik anzubringen? Keine intensive. Vielleicht eine Kleinigkeit: es hat sicher nachvollziehbare und gute Gründe – psychologische, stilistische, Anknüpfungen an Hörgewohnheiten, Radio-Edits etc. – warum der Song die tpyischen 3:30 hat, hm? Aber als Lied, das zum Ausruhen einladen will, hätte er Balladenlänge vertragen können. So schmeckt es aber auch super!

„Come to Kaer Morhem“ ist ein offensichtlicher Witcher-Fan-Song. Passt hervorragend in die Witcher-Welt. Hätte von Rittersporn geschrieben und gesungen worden sein. Mischt, wie das ganze Witcher-Universum, dunkle Töne mit harten Tönen mit weichem, balladesken Stil und nachdenklichen Melodieführungen, die zum Träumen einladen. Damit entsprechen Komposition, musikalische Umsetzung im Instrumentarium und im Gesang und Text einander – runde Sache. Die Botschaft ist klar: Come to Kaer Morhem und ruh Dich mal aus, einer wie Du kann das ja sonst kaum noch irgendwo.

Schiraki läßt Geralt am Feuer sitzen – auf Kaer Morhem muss er da nicht allein hocken …

Einer wie Du. Einer wie ich, eine wie Du, einer oder eine wie wir. Wir sind vielleicht nicht alle Witcher, aber nach wie vor ist Rollenspiel ein zum Teil stigmatisierendes Hobby. Damit wirst Du bestenfalls belächelt, aber nach wie vor an vielen Orten auch kritisiert. Seit Rollenspiel in „den Medien“ auch positiv bewertet und transportiert wird, wird’s besser. Aber ein klein wenig wie ein Witcher kommen wir uns nach wie vor noch vor, hm?

Ich muss nicht erst Corona bemühen, um deutlich zu machen, was auch die Künstlerinnen und Künstler hinter „Come to Caer Morhem“ uns klanglich impressiv um die Seele spielen: wir brauchen Orte der Ruhe. Orte mit Gleichgesinnten. Orte, wo wir uns nicht verstellen müssen. Orte, wo Geschichten wie unsere ganz normale Geschichten sind. Und wo man sie bei Musik und geistigen Getränken auch gerne erzählt, vielleicht sogar feiert. Und das ganz ohne 2G+.

Und dann ist da noch die Note des Komponisten, adressiert ganz bewusst bevor zur Klampfe gegriffen wird.
Martin Schroer erinnert uns daran, wie wichtig es ist, unsere Begeisterung nicht nur zu fühlen. Das, freilich, steht an erster Stelle. Aber die Welt wird eine schönere, wenn Künstlerinnen und Künstler für das bekannt werden, was sie tun. Wenn sie „Reichweite“ bekommen und „credits earnen“. Wer kann, kann das mit klingender Münze tun. Aber das Mindeste, was wir tun können, ist die unglaublich wichtigen Namen von Menschen hochzuhalten, die so großartige Sachen machen wie einen Witcher-Fan-Song.

Mit den Worten Rittersporns und des Nummer-eins-Witcher-Liedes lade auch ich Euch daher ein:

Toss a coin to your witcher!

Martin Schroer – Komposition & Songwriting
Mariano Skroce – Lead Vocals
Sophia Brandt – Vocals, Hurly-Gurdy
Timo Heckmann – Vocals, Flöte
Kai Warszus – Vocals, Percussion Saz
Schiraki – Artwork

Links zu diversen Homepages, Patreon-Gruppen und unterstützenden Communities findet Ihr unter dem Video auf YouTube. Wenn Euch dieses Lied etwas bedeutet, dann zeigt Eure Anerkennung mit den üblichen Mitteln – lasst ein Abo und ein Like da, schreibt einen Kommentar. Come to Kaer Morhen and then toss a coin to your witcher. Lassen wir uns ein kühles Bier schmecken und die Barden für uns aufspielen, wenn wir erzählen von den großen und den kleinen Taten, von erschlagenen Monstern, schwer zu tragenden Masken, von Helden und Schurken.

Danke, d20sounds & Team!