Adel verpflichtet

Ein Ritter gelobt die ewige Tapferkeit.

Sein Herz kennt nur die Tugend.

Sein Schwert verteidigt die Hilflosen.

Seine Macht unterstützt die Schwachen.

Sein Mund spricht nur die Wahrheit.

Sein Zorn zerschlägt die Bösen.

  • so schwören die Ritter des alten Kodex in „Dragonheart“

Ja, ich gebe zu – rollenspielerisch mögen solche Worte wirklich wertvoll sein. Historische Wahrheit verbirgt sich nur bedingt dahinter. Irdische Adelige waren und sind nicht zwangsläufig Vorbilder. Menschenschinder und sonstige Unholde sind sie aber genausowenig automatisch nur, weil sie „blaues Blut“ haben.

Ich möchte im Folgenden die ritterromantische Verklärung des Adels zu einer Institution von aufrechter Geisteshaltung und hoher Moral weiter verfolgen. Dass aus großer Macht große Verantwortung folgt, haben wir aus der Geschichte von Peter Parker gelernt. Naja, hoffentlich nicht nur da. Aber warum nicht da. Gilt das denn nur für große Macht? Oder gilt nicht eigentlich: wer irgend eine Form von Einfluss hat, die genutzt werden könnte, um die Welt wahrer, stärker und schöner zu machen … sollte das dann nicht auch passieren?

Bestimmt ist Dir schon mal irgendwo das in Worten gezeichnete Bild begegnet, wonach viele kleine Menschen viele kleine Schritte tun und damit das Antlitz der Welt – zum Besseren, hoffentlich – verändern. In der Rubrik „Adel verpflichtet“ möchte ich Euch einladen, einer von diesen Menschen zu sein, der „gegen das Böse und für das Gute“ streitet. Der ein Ritter ist, und kein Knecht – also eine eigene Meinung hat und sie auch zu verteidigen weiß. Der wie ein Urbild des Rittertums, der christliche Heilige und römische Offizier Martin von Tours aber auch bereit ist, seinen Mantel zu teilen. Das mit dieser Mantelteilung war übrigens nicht nur eine menschenfreundliche Geste. Die Umhänge römischer Offiziere gehörten nach Reichsrecht dem Kaiser. Was Martin von Tours da getan hat, hätte ihm also ganz schön üblen Ärger einbringen können. Der römische Ritter tat’s trotzdem.

Wo, außer am würfelbedeckten Spieltisch und auf einem stimmungsvollen LARP, könnt Ihr denn mal so richtig ordentlich einen „rittern“? Ich hätte da ein paar Ideen für einen zeitgemäßen Adeligen-Kodex.

Adel verpflichtet: Martin von Tours

Soll heißen: Teile Deinen Mantel! Wenn anderen helfen kannst, dann tu das. Das darf Dich nicht selbst ruinieren, und nur, um mit dem Heiligen Martin gleichzuziehen, solltest Du Dich auch nicht in Gefahr bringen. „Den Mantel teilen“ kann zum Beispiel bedeuten, bei Hochwassern Hilfe zu leisten. Mit der Hand oder mit dem Geldbeutel. Mir ist klar, dass das nicht zwangsläufig alle können, die gern auf diese Weise helfen würden. Aber ihr könnt anderen davon erzählen – eine gute Sache bekannt zu machen, auch das ist: Deinen Mantel teilen.

Adel verpflichtet: Sir Thomas Moore

Soll heißen: Folge seinem Wahlspruch. Der lautet: „Nie hätte ich daran gedacht, einer Sache zuzustimmen, die gegen mein Gewissen gewesen wäre.“ Halte nicht die Klappe, es sei denn, Du bringst Dich in eine Gefahr, der Du nicht begegnen kannst. Ritter hin oder her. Und natürlich darf Deine Meinung kontrovers sein, muss nicht einem wie auch immer gearteten Zeitgeist entsprechen. Nur durchdacht muss sie sein. Dabei kann der nächste Ritter Dir helfen.

Adel verpflichtet: Sir Peter Ustinov

Soll heißen: Folge seinem Wahlspruch. Der lautet: „Es ist von grundlegender Bedeutung, jedes Jahr mehr zu lernen als im Jahr davor.“ Und das denken wir mal im Sinne Wilhelm von Humboldts – noch so ein Adeliger: „Bilde dich selbst, und dann wirke auf andere durch das, was du bist!“ Du hast ein Gehirn, benutze es. Beide Gehirnhälften. Also quasi „Hirn und Herz.“ Interessiere Dich für Hintergründe, wäge Fakten und Legenden gegeneinander ab. Schau auch beim Rollenspielen mal über den Tellerrand hinaus – in andere Spielsysteme, aber gern auch auf die irdischen Wurzeln dessen, was Du da spielst.

Adel verpflichtet: Sophie von Oranien-Nassau

Soll heißen: fördere die Schönheit der Welt, Bruderschwester! Sophie lebte im 19. Jahrhundert. Sie war eine niederländische Prinzessin und Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach. Der Nachwelt bekannt ist sie vor allem für ihr soziales Engagement – aus großer Macht… – und als Mäzenin, sprich: sie förderte Kunst und Kultur. Besonders verdient gemacht hat sich Großherzogin Sophie um den Nachlass eines kulturschaffenden Adeligen: Johann Wolfgang von Goethe. Mach es wie Sophie – fördere die schönen Künste! Das Mindeste, was Du tun kannst: nenn die Künstlerinnen und Künstler, deren Werke Du irgendwo verwendest, beim Namen. Frag sie vorher um Erlaubnis, bevor Du die Werke benutzt. Und wenn Du kannst, nimm den Geldbeutel zur Hand. Ich habe das getan, mein Logo und mein „Chibidayn“ sind Auftragsarbeiten. Großartig gelungene Auftragsarbeiten. Schmücke Dich bitte niemals mit fremden Federn.

Adel verpflichtet: Adolph Freiherr Knigge

Soll heißen: benimm Dich! Folge der Etikette, folge der Netiquette. Und sei da lieber eine Spur zu anständig, ein Quäntchen zu höflich als von beidem einen Hauch zu wenig. Geh in Wortwahl und Tonfall mit gutem Beispiel voran. Du darfst über die Stränge schlagen, aber bemüh Dich doch einfach, im Großen und Ganzen eine Person zu sein, mit der andere eine angenehme Gesprächskultur verbinden. Du kannst auch bei möglicherweise kritischen Themen wie Politik und Religion, Gendern und Rollenspiel-Editionskriegen die Contenance bewahren und Dich bemühen, andere so zu behandeln, wie Du selbst behandelt werden willst. Ich hoffe in diesem Sinne, Du bist kein maßloser Masochist. Liebe und verehrte Ritterin, lieber und verehrter Ritter, bewahren Sie Haltung und Form und den ritterlichen Comment.

Natürlich gibt es noch jede Menge „Blaublütige“ mehr da draußen, von deren Namen und Geschichten her sich tolle Botschaften für ein ritterliches Leben ableiten lassen. Und selbstredend auch von den Namen und Geschichten von Menschen ganz ohne blaues Blut. Ist doch klar! Genauso klar geworden sollte aber sein, worum es hier geht, hm?

Dann fehlen ja jetzt eigentlich nur aus den Handlungsprinzipen abgeleitete, ganz konkrete Maßnahmen. Und auch da erlaube ich mir, Dir mal etwas vorzustellen.

Allen voran lege ich Dir beiden großen Spendenstreams in Deutschland ans Herz. Engagierte StreamerInnen, YouTuberInnen, InfluencerInnen aus der Gaming- und auch aus der Rollenspielszene legen sich jedes Jahr für viele Stunden ins Zeug, um Dich zu unterhalten – und dabei Geld für wohltätige Zwecke zu sammeln. Tolle Sache! Da kommt wirklich was zusammen.

 

Die beiden Spendenstreams sind Kinder unserer Zeit. Seit dem Mittelalter setzen sich christliche Ritterorden für den Schutz von Reisenden, für Kranke und Bedürftige ein. Einen davon möchte ich stellvertretend für viele andere verlinken – den Malteser Hilfsdienst, der in der Tradition des Souveränen Ritter- und Hospitalordens vom Heiligen Johannes von Jerusalem, von Rhodos und von Malta steht.

Und aus gegebenem Anlass noch ein ganz spezieller Link. Für mein Empfinden ist die Flutkatastrophe im Ahrtal nämlich viel zu schnell aus den Medien und aus den Köpfen der Menschen verschwunden.

Aber sag mal, Christian von Cramer – wie sieht’s aus? Bist Du wirklich adelig?

Das ist angesichts der offiziellen Abschaffung des Adels in Deutschland eigentlich nur mit einem „nein“ zu beantworten, und ich sage natürlich trotzdem „ja“. Allerdings handelt es sich bei Christian von Cramer um ein Pseudonym, da in meinem beruflichen Umfeld die Wertschätzung für das Thema „Rollenspiele“ noch ausbaufähig ist. Im Sinne der oben beschriebenen Tugenden stehe ich zu meinem Hobby und meinen Interessen, schütze aber mich und meine Familie vor unerwünschten Folgen. Tatsächlich ist der adelige Name von Cramer aber nicht völlig frei erfunden, er beruht auf echter Familiengeschichte und wurde dann im Sinne der Pseudonymfreiheit abgewandelt. Im Gothaer werdet Ihr mich so aber leider nicht finden.

Aktuell läuft ein Auftrag bei einem Heraldiker, das historische Familienwappen entsprechend der Vorgaben meines Pseudonyms umzugestalten. Auch den Wahlspruch habe ich ausgetauscht. Vorläufig ziert er nun als Unterschrift mein urheberrechtlich geschütztes Logo.

 

visibilium omnium et invisibilium

„Alles Sichtbare und Unsichtbare“

Dieser Wahlspruch entstammt der lateinischen Fassung des Nicäno-Konstantinopolitanums, einem christlichen Glaubensbekenntnis, dass in dieser Form seit dem Jahr 451 n. Chr. überliefert ist. Gott schuf alles, was sichtbar und unsichtbar ist. Alles, was war. Alles was ist. Und alles, was sein wird. Das ist bei Autoren und Phantasie-Schaffenden ja eigentlich genauso, ohne die Vermessenheit zu besitzen, mich mit Gott vergleichen zu wollen.