30. Dezember 2021 Von Caradayn

Caradayn empfiehlt: Schirakis Jahresrückblick

Wenn ich einmal groß bin, dann möchte ich, dass all die Bilder in meinem Herzen und all die Ideen in meinem Kopf wie stille Bäche und wie reißende Flüsse durch meine Adern strömen, bis in die Finger – die einen Zeichenstift halten …

Wie ist eigentlich das wahre Leben als Künstlerin, wenn der oben beschriebene Jugendtraum irgendwie tatsächlich Realität geworden ist? Was bewegt einen Menschen wie die Ilustratorin Stephanie „Schiraki“ Bünger im zweiten Corona-Jahr? Hat das Virus auch Auswirkungen auf ihr Kunstschaffen? Und zieht sie eine gedankliche Grenze zwischen gestalterischem Kunsthandwerk und „echter“ Kunst?

Schiraki hat einen sehr persönlichen Jahresrückblick auf 2021 auf ihrem selten benutzten YouTube-Channel eingestellt. Okay, er ist deutlich öfter benutzt als meiner. Aber. Ich empfehle Dir, Dir dieses Video anzusehen. Selbst, wenn Du Schiraki nicht kennen solltest.

Ich finde, der größte Teil dieses Videos spricht dieselbe Sprache wie das neulich hier empfohlene Witcher-Fanlied –> Come to Caer Morhen <–. Es geht um das Leben mit einem besonderen Beruf. Es geht um eine Gabe, die andere nicht haben, und wo es einfach nur großartig ist, sich darüber mit anderen Menschen austauschen zu können, die dafür ein Gespür haben. Es geht um Bekanntschaften, vielleicht sogar Freundschaften, es geht um Leben – online. Das ist nicht nur in Corona-Zeiten wertvoll. Nimm bitte Dinge ernst, die online passieren. Ruhig mit einem Filter, quasi einem Virenscanner für digitales Leben – auch und vielleicht gerade da triffst Du auf toxische Personen. Aber eben auch auf Personen, deren Gegenwart Dir gut tut. Die Online-Welt zu verteufeln ist verteufelt dämlich.

Schiraki spricht aber auch zwei dunkle Themen an – da wäre einmal die schreckliche Flutkatastrophe im Ahrtal. Ich halte es immer noch für hochgradig peinlich, wie schnell das Thema schon wieder aus den Köpfen der nicht betroffenen Republik verschwunden ist. Das kann nicht nur am alles beherrschenden Coronavirus liegen, das liegt mit Sicherheit auch an einem grausamen Sensationsgeilheit-Woke-Echte Betroffenheits-Mischmasch, der gerade in den „sozialen“ Medien einfach in ist. Kirche brennt? Schnell, Facebookbanner mit französischer Flagge. Sollte dieser Account sechs Monate später immer noch „pray for Paris“ fordern, fragen sich viele: Hä? Wovon spricht dieser Mensch? Tja … Flut im Ahrtal … da gab’s vielleicht nicht „pray for Bad Münstereifel“, aber doch allgegenwärtige Betroffenheit und sogar Hilfsangebote. Nur jetzt … jetzt ist im Ahrtal NICHT alles in Ordnung, aber auf’s Helfen haben die Leute weniger Bock. Keine Ahnung, was jetzt gerade „in“ ist. „Pray for ukrainian border“? „Pray for/versus omikron“?. Von der hohen Warte des Herrn Christian von Cramer sei Dir gesagt: bitte, bitte nicht einmal helfen und dann vergessen! Das ist vergleichbar damit, eine einsame alte Dame zu Weihnachten im Altenheim zu besuchen, und danach nie wieder. Für einen Tag aus der Dunkelheit ans Licht geholt, und dann wieder ab in den „Keller“. Ja, das Bild ist deutlich. Ich stehe dazu. Und darum:

Außerdem spricht Schiraki das miese, fiese „Impostor-Syndrom“ an. Laut Wikipedia geht es dabei um Folgendes:

Das Hochstapler-Syndrom, teilweise auch Impostor-Syndrom, Impostor-Phänomen, Mogelpackungs-Syndrom oder Betrüger-Phänomen genannt, ist ein psychologisches Phänomen, bei dem Betroffene von massiven Selbstzweifeln hinsichtlich eigener Fähigkeiten, Leistungen und Erfolge geplagt werden und unfähig sind, ihre persönlichen Erfolge zu internalisieren.

Trotz offensichtlicher Beweise für ihre Fähigkeiten sind Betroffene davon überzeugt, dass sie sich ihren Erfolg erschlichen und diesen nicht verdient haben […]. Von Mitmenschen als Erfolge angesehene Leistungen werden von Betroffenen dieses Symptoms mit Glück, Zufall oder mit der Überschätzung der eigenen Fähigkeiten durch andere erklärt. Bei manchen dieser Menschen sind diese Selbstzweifel derart ausgeprägt, dass sie sich selbst für Hochstapler halten und in der ständigen Angst leben, andere könnten ihren vermeintlichen Mangel an Befähigung bemerken und sie als Betrüger entlarven.

Ich glaube, in einem virtuellen „Caer Morhen“ darf jemand, der sich zu den Betroffenen zählt, etwas entspannter Leben. Unter anderen „Hexern“ wird man Dir Deine „Hexenkunst“ nicht nur abnehmen, sondern Dich auch für Deine Erfolge achten. Natürlich nicht jeder. Da gibt es mit Sicherheit auch Arschgeigen. Aber so im Großen und Ganzen hat es mir mein Leben leichter gemacht, davon auszugehen, dass Leute das, was sie sagen, auch meinen. Und das schließt Lob ein. Ich weiß, was ich kann. Und was ich nicht kann. Und ich kann mit Lob durchaus umgehen, aber wehe, es kommt unerwartet oder als Geschenk verpackt. Auch das ist wohl zum Impostor-Spektrum zu Zählen. Mies. Zum Glück gibt es nur noch wenige Trigger, aber das war ein ordentliches Stück Arbeit. Solltest auch Du zu den Betroffenen zählen, schreib Dich nicht ab – lerne freuen und danken!

So … jetzt möchte ich aber unbedingt noch mit etwas Schönem diesen kleinen Artikel beenden. Glücklicherweise ist das hier ja eine Schiraki-Empfehlung, und was diese Künstlerin und Kunsthandwerkerin so macht, na … da muss es doch was geben, womit der Herr von Cramer einen positiven Abschluss hinkriegt. Und hier ist er – liebe Leserin, lieber Leser: ich möchte Dir Fiana vorstellen.

Schirakis Rondrageweihte Fiana von Punin, geb. von Niederschilfen
https://www.deviantart.com/schiraki/art/between-two-oaths-833163631

Warum dieses Bild? Einmal, weil es schön ist. Schlicht und ergreifend, ich finde es schön. Und schlicht. Und ergreifend.
Und rondrianisch. Für die Nicht-Aventurier: Rondra ist die Göttin des ritterlichen Kampfes, der Ehre, des Mutes – na, kein Wunder, dass ich die auswähle. Auf einer Seite, die ein eigenes Kapitel namens „Adel verpflichtet“ hat. Ich habe Fiana ausgewählt, weil ich mich 2021 mit diesen aventurisch-ritterlichen Tugenden beschäftigt habe. Weil ich über sie viel mit Schiraki im Discord gesprochen habe. Weil mir das erzählte und irdische Schicksal dieser Heldin nahegehen.

Und weil sie hier in einer „darkest hour“ trotzdem eine außergewöhnliche, innere Stärke zeigt. Um so zu knien, sich so zu versenken, so klein zu machen vor Rondra – die sie glaubt enttäuscht zu haben – um so klein zu werden trotz ausgeprägter Muskeln und wachem Geist, um SO klein zu werden muss man eine ganz Große sein.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Schiraki auch jemand ist, die zu den Großen ihrer Zunft werden kann.

Falls das nicht geschieht, bin ich nicht zornig. Für MICH ist sie schon eine Große.