21. November 2021 Von Caradayn

Neues Video bei „Lurch & Lama“ – Rollenspieltalk: Ist das eigentlich Kanon?

Jenny ließ enervierend langsam ihre Notizen sinken und blinzelte ungläubig über den Rand ihres Spielleiterinnenschirms. Jan begann sich zunehmend unwohl zu fühlen. Die Temperatur des Raumes sank gleich um mehrere Grad ab, als die Meisterin des Schwarzen Auges harschig wie gefrorene Gülle auf alten Kohlfeldern fragte: „Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass Du hier mitspielen darfst, ohne wenigstens 60% der Wiki Aventurica auswendig zu kennen?“. Jan schluckte. Jetzt würde er sich schon gar nicht trauen, seiner Meisterin und den anderen am Spieltisch zu gestehen, dass er, um ehrlich zu sein, nicht einmal das Grundregelwerk vollständig gelesen hatte.

Das Lama und ich sprechen über „Kanon“ und seine Bedeutung in unterschiedlichen Rollenspielsystemen. Ich bin ja bekanntermaßen ein „lockerer Kanoniker“. Will sagen: ich finde eine konsistente Spielwelt wirklich wichtig und bemühe mich auch, sie mit der „Verlagslinie“ in Einklang zu halten. Aber das tue ich nicht bedingungslos oder gar sklavisch.

Als Autor für Das Schwarze Auge schätze ich die lebendige Spielwelt und die vielen kleinen Sandboxes, aus denen Aventurien zusammengeklebt ist. Mal ehrlich, das würde heute vermutlich keiner mehr am Konstruktionstisch genau so aufbauen. Aber ich habe es liebgewonnen, dieses herrlich unlogische, geographisch zu kleine und für viele Spielerinnen und Spieler da draußen viel zu „hotzenplotzige“ Aventurien. Das merkt man dann auch diesem Rollenspieltalk an. Viel Spaß 🙂

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Diesmal fällt es mir gar nicht so leicht, Dir Zusatzmaterial zum Video anzubieten. Aber vielleicht mache ich es einfach mal so: Ich versuche, die Frage zu beantworten, wie Du Dir den Kanon des „Schwarzen Auges“ am Leichtesten erschließen kannst.

Grundlagen der 5. Edition von DSA

Spohr, Alex et.al.: Das Schwarze Auge Regelwerk 5. Edition. Ulisses Medien und Spiel Distribution, 4. Auflage, Waldems 2021
ISBN 3957521033

Das Spielkonzept von DSA5 läßt sich sehr knapp zusammenfassen: was Du wirklich brauchst sind zwei Bücher. Einmal das Grundregelwerk und einmal den Almanach. Was ein Grundregelwerk ist, das erklärt sich wohl schon vom Namen her hinreichend. Der Almanach ist die Weltbeschreibung. Eine bunte Rundreise durch ganz Aventurien, die Spielwelt des Schwarzen Auges. DSA ist für seine Hintergrundtiefe bekannt, und hintergrundtief ist der Almanach wirklich nicht. Aber er gibt eine gute Übersicht, um einerseits zu informieren, andererseits aber auch neugierig zu machen auf detailiert-spezialisierte Quellenwerke.
Mal ehrlich: ich spiele DSA schon sehr, sehr lange. Und ich finde, dass das Spiel erst dann wirklich reizvoll wird, wenn die Regelwerke und Quellentexte zu den Zauber- und Götterdiener“klassen“ dazukommen. Insofern bestätige ich natürlich das Konzept „GRW + Almanach = DSA“, sage aber auch deutlich „…+ weitere Regel- und Quellenbände, um ne wirklich runde Sache draus zu machen.“ Hier soll es aber vorrangig um den Kanon gehen, und um sich den zu erschließen…? Ja, GRW + Almanach. Und dann je nach Lust und Laune in einen Magieband oder eine Regionalbeschreibung. Bei Letzteren bin ich vom Sammelboxen-Konzept wirklich überzeugt. Alles drin, was man so braucht, wenn man eine bestimmte Region wirklich mag: ausführliche Beschreibungen, Landkarten, Soundtrack, eine Kurzgeschichte und so weiter. Die bislang publizierte Reihe der Regionalbeschreibungen ist noch lange, lange nicht abgeschlossen. Es kann also notwendig sein, als Fan bestimmter Regionen auf ältere Quellen zurückzugreifen. Nun aber zum Almanach, der einem DSA-Neuling mit Sicherheit beste Dienste beim Erkunden der Spielwelt leisten wird.

Don-Schaunen, F. und Richter, Daniel S.: Aventurischer Almanach. Ulisses Medien und Spiel Distribution, 4. Auflage, Waldems 2021
ISBN 9783957522337

Und wie kanonisch „sollst“ Du spielen, damit es „richtiges“ DSA ist?
Oh wei … so kanonisch, wie es Dir und Deiner Gruppe Freude bereitet.
Je weiter Du Dich dabei vom offiziellen Kanon entfernst, desto schwieriger wird es sein, sich mit anderen DSA-Fans auf Cons und Messen über Erlebnisse in bestimmten Kampagnen auszutauschen. Ob dieser Austausch aber zwingend notwendig ist? Ich denke nicht. Auch Spielerinnen und Spieler grundverschiedener Rollenspielsysteme können einander doch faszinierende Geschichten von ihren Spielrunden berichten. Dass mir persönlich der offizielle Kanon nicht egal ist, im Gegenteil, das habe ich ja schon gesagt.